Jackie Robinson, der furchtlose Baseball-Pionier (2024)

1947 revolutioniert Jackie Robinson den amerikanischen Sport: Er schafft es als erster Schwarzer in die Baseball-Profiliga MLB. Seine Geschichte erzählt von einem dunklen Kapitel der US-Geschichte, aber auch von Beharrlichkeit und grossem Mut.

Nicola Berger

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Irgendwann im Sommer 1945 reist Jackie Robinson mit den Kansas City Monarchs durch Oklahoma. Die Monarchs sind ein Team der Negro Leagues, der Monatslohn beträgt 400 Dollar. Die Busfahrten quer durch die Nation sind strapaziös, weil Hotels und Restaurants den Zutritt verweigern. An einer Tankstelle will das Team die Toilette aufsuchen, aber sie ist «whites only», nur für Weisse. Als der Besitzer die Benutzung untersagt, entgegnet Robinson: «Dann kaufen wir dein Benzin nicht.» Es ist ein Satz, der die Türen wie von Zauberhand aufgehen lässt.

Die Episode steht symbolisch für das Wesen und Wirken von Robinson, einem mutigen Mann mit disruptivem Spirit, dessen Leben von erschütterndem Rassismus erzählt und der in der segregierten Nation die Zweiklassengesellschaft nicht mehr hinnehmen wollte. Amerika war Mitte der 1940er Jahre ein Land der Widersprüche: Die Schwarzen erhielten Ehrungen wegen ihrer Kriegsverdienste, mussten im Bus aber wieder hinten sitzen und auch achtzig Jahre nach der Abschaffung der Sklaverei zahllose Demütigungen ertragen. Die USA, die sich durch die Zerschlagung von Nazideutschland zu Recht als Retter der freien Welt feiern liessen, waren auch ein Land der Unterdrückung.

Dazu gehörten die Negro Leagues, weil Schwarze in der Major League Baseball (MLB), der wichtigsten Profiliga, seit den 1880er Jahren ausgeschlossen waren. Nicht von Gesetzes wegen, sondern per Gentlemen’s Agreement unter den Klubbesitzern – einem in diesem Zusammenhang an Zynismus schwierig zu überbietenden Begriff.

Die rassistische Praxis hielt an, bis Branch Rickey den hochtalentierten Robinson entdeckte. Rickey, der querdenkende General Manager der Brooklyn Dodgers, zweifelte nicht an Robinsons Talent. Aber er war sich nicht sicher, ob dieser die andauernden Anfeindungen ertragen würde. Er sagte: «Jackie, wir haben keine Armee hinter uns. Es steht praktisch niemand auf unserer Seite. Keine Teambesitzer, keine Schiedsrichter, fast keine Journalisten. Und ich befürchte, dass viele Fans sehr feindselig reagieren werden, es wird nicht einfach. Wir können nur dann gewinnen, wenn wir die Welt davon überzeugen können, dass du ein überragender Spieler und ein Gentleman bist.» Robinson fragte ihn: «Wollen Sie einen Schwarzen, der Angst davor hat, sich zu wehren?» Die Replik: «Ich will einen Schwarzen, der den Mut hat, es nicht zu tun.» Robinson, das war der Plan, sollte seine Leistungen für sich sprechen lassen, statt Konflikte offen auszutragen.

Morddrohungen vom Klan

Im April 1947 debütiert Robinson mit bereits 28 für die Dodgers in einem Spiel gegen die Boston Braves. Die «New York Times» beschreibt die erste Partie Robinsons als «unauffällig», was rein sportlich stimmt, die historische Signifikanz eines Spiels aber nur unzureichend wiedergibt, über die der heutige MLB-Kommissionär Rob Manfred sagt: «Es war der bedeutendste Moment in der Historie der Liga.» Denn Robinsons Einsatz ist ein Meilenstein der Sportgeschichte der USA, ein bedeutender Etappensieg für die Bürgerrechtsbewegung auch, zu deren Ikone er aufsteigen wird.

Doch der Pioniergeist hat seinen Preis: Robinson wird lange angefeindet, von Widersachern, von Fans, und von den Wirrköpfen des Ku-Klux-Klans erhalten er und seine Familie Morddrohungen. Sogar unter den Mitspielern gibt es eine von Südstaatlern initiierte Petition mit dem Ziel, ihn loszuwerden. «Wir weigern uns mit ihm in einem Team zu spielen. Seit Jahrzehnten hat es keinen Schwarzen mehr in der Liga gegeben, und das soll auch so bleiben», schrieben sie. Doch der Coach Leo Durocher sagte in einer legendären Ansprache: «Es ist mir egal, ob der Kerl gelb oder schwarz ist oder ob er Streifen hat wie ein verdammtes Zebra. Ich bin der Manager, und ich sage, er spielt.»

Die Initiative offenbarte aber ein weiteres Mal die Doppelmoral vieler Amerikaner: Es war kein Problem, dass sich im Baseball notorische Kleinkriminelle tummelten. Aber ein Afroamerikaner, wenn auch ein noch so unbescholtener, der sogar als Leutnant im Militär gedient hat? Ein Skandal.

Und wenn ihm nicht ungezügelte Abneigung entgegenschlägt, dann wird er beäugt wie ein Freak aus einem dieser Kuriositätenkabinette, die durch das Land tingeln und Menschen mit Abnormitäten ausstellen. Die Zeitungen tragen ihren Teil dazu bei, weil sie ein ähnliches Vokabular verwenden wie der grosse Zirkusbaron P.T. Barnum bei der Anpreisung seiner Attraktionen. Sie schreiben vom «schwarzen Meteoriten» oder dem «muscular negro».

Robinson schmerzte all das, einmal sagte er: «Ich kann mich nicht für die amerikanische Nationalhymne erheben und mitsingen. Ich habe gelernt, dass ich ein schwarzer Mann in einer weissen Welt bin.»

Die «New York Post» wollte in den ersten Wochen von Robinsons MLB-Karriere erkannt haben, dass der Debütant teamintern isoliert sei; ihr Reporter schrieb: «Er ist der einsamste Mann, den ich im Sport je gesehen habe.»

Jackie Robinson, der furchtlose Baseball-Pionier (2)

Kein Hotel in Philadelphia

Doch das stimmte nur partiell. Wohl in Momenten wie jenem in Philadelphia, als die Dodgers wie üblich im Benjamin-Franklin-Hotel absteigen wollten und ihnen der Manager dort sagte, sie seien erst wieder erwünscht, wenn sie «keinen Neger mehr» in ihren Reihen hätten. In der gleichen Stadt wurde Robinson später bei einem Spiel vom gegnerischen Coach unter anderem mit dem Satz beleidigt, er solle «wieder Baumwolle pflücken» gehen.

Grundsätzlich jedoch geht der Plan auf: Robinson, der schon auf Universitätsstufe in verschiedenen Sportarten Rekorde brach, brilliert in der MLB rasch und gewinnt die Auszeichnung als bester Jüngling der Liga. Er wird zum Aushängeschild der Dodgers, zu einem Faszinosum und Publiku*msmagneten, aber sein Vermächtnis reicht weit über das Erreichte in den Ballparks hinaus. Er hilft, den Prozess der Desegregation in Gang zu setzen. Der Bürgerrechtsaktivist und Kongressabgeordnete John Lewis sagt später: «Er gab uns Schwarzen Hoffnung und Stolz.» Bald folgen weitere schwarze Profis in der MLB – und in anderen Sportarten; es ist der Nährboden für den Kampf von Martin Luther King.

Robinson beendet seine Karriere 1956 mit einem spektakulären Palmarès, 16 Jahre später stirbt er an einem Herzinfarkt. Doch sein Erbe lebt weiter: Er ist auf Briefmarken mit Statuen verewigt, sein Name ist Teil der amerikanischen Pop-Kultur. Seine Geschichte ist in zahllosen Filmen und Dokumentationen nacherzählt worden, 2013 etwa im Hollywood-Spielfilm «42» mit Harrison Ford. Robinsons Rückennummer 42 wird seit 2004 ligaweit nicht mehr vergeben.

In den Jahren vor seinem Tod kritisierte Robinson immer wieder, dass es in der MLB zu wenig schwarze Cheftrainer gebe. Fast fünfzig Jahre ist das her, eine Ewigkeit, aber an der Problematik hat sich nichts geändert. In der MLB gibt es bei 30 Teams 2 schwarze Manager, im American Football ist die Quote noch schlechter.

Die Tage der Rassentrennung mögen vorbei sein, es muss sich niemand mehr darum sorgen, dass ihm die Visite einer schäbigen Tankstellentoilette verwehrt wird. Aber der Alltagsrassismus grassiert weiter, auf einer anderen Ebene, er ist ein bisschen geschickter maskiert. Wenn die MLB jeweils im April mit dem Jackie Robinson Day eine folkloristische Hommage für ihren Pionier abhält, ist es lohnenswert, sich daran zu erinnern.

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